Foto (c) Manfred Carpentier


CAPRICCIOS


Herr Abraham, der Flaneur, ist ein Romantiker. Das sollte man wissen.

Auf seinen Streifzügen, die nie eigentlich enden, auf denen er sich im Unübersichtlichen der Stadt verliert, permanent die Kamera in Reichweite, findet er Bilder - vielleicht wie andere Pilze im Wald.

Als gewiefter Sammler findet er viel …

So entsteht mit der Zeit ein unentwirrbares Konvolut von optischen Wahrnehmungen: Lichträume, rätselhafte Konstellationen von Dingen, durch Sichtweise umgewidmete Gegenstände, Bilder von Bildern, Personen in metaphorischen Posen und noch vieles anderes mehr.

Dennoch konstituiert sich diese Sammlung, die so endlos sein wird, wie Herrn Abrahams Spaziergänge, als Gegenstrategie zum scheinbar Geradlinigen der Gegenwart, zum allerorten festgestellten Verlust einer Übersichtlichkeit.

Fotografische Stadtlektüre: Herr Abraham „liest“ eine Stadt, die man nicht mehr auf dem Begriff bringen mag.

Gegenentwurf ist diese Fotografie, auch weil sie ausdrücklich vermeidet, reines Abbild zu sein.

Herr Abraham hat gelernt, das Eigene als Fremdes zu begreifen und als Fremdes zu sehen. Er mag das Prinzip der Verfremdung. Die Antwort auf die Frage: „Was ist das Ding da auf dem Bild?“ beantwortet selten die Frage, was das Foto vielleicht meinen möge.

Auch ist Herr Abraham überzeugt, dass zur Lesbarkeit für die Anderen, nämlich die Betrachter seiner Bilder, eine Einzel-Bildhaftigkeit unabdingbar ist. Und er meint, dass stilistische Ähnlichkeit der Fotos es dem Zuseher erleichtert, dargestellte Gegenstände oder Situationen, die so eindeutig nicht zusammengehören, auf einander zu beziehen, einander zuzugesellen. Als Paar, als Tableau, als Geschichte.

Die gewollten wie die erlaubten Assoziationen zu den Bildern sind in der Tat vielfältig. Philosophieren bereitet Herrn Abraham keine Mühe, er hat das studiert. Und wie der Fotograf sollte auch der Betrachter schlendernd memorieren…

Herr Abraham liebt die Fertigkeit seines multifunktionalen Telefons, permanent gleichartig vorgerahmte und übertrieben kontrastreiche, entfärbte Bilder zu fabrizieren. Damit unterwirft er sich einem vorbestimmten ästhetischen Diktat, was es ihm jedoch ungemein erleichtert, beabsichtigte Inhalte herauszuarbeiten.

Die Ergebnisse betrachtet er als Skizzen - aber auch als kleine, sehr spezielle Kunststückchen: Capriccios.

Die vorliegende Auswahl wurde aus der Sammlung von inzwischen mehreren Hundert Capriccios filtriert.


Berlin, 16.12.2015



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